Irland

Land League sowie Marx und Engels zur irischen Landfrage

von Kirsten Knaack

5. Entstehung und Ziele der Land League / „New Departure“

Auf dem Höhepunkt der agrarischen Krisen hielt Davitt im April 1879 in Irishtown, Co. Mayo ein Mass Meeting ab, das den Boden für die Gründung der Irish National Land League[18] am 21. Oktober 1879 in Dublin bereitete.

Sie fingierte als eine offene Selbsthilfe- und Schutzorganisation von Pächtern, die enge Verbindungen zum Clan na Gael[19] in den USA unterhielt.

Vorbilder waren u.a. die Tenant Leagues der 1840er bis 1860er Jahre.

Als langfristiges Ziel strebte die Land League eine Entwicklung an, die die Eliminierung des Landlordismus zum Ziel hatte und den Erwerb des bearbeiteten Bodens durch die Pächter erleichtern sollte. Kurzfristig sollten Wucherpachten und Vertreibungen von Pächtern verhimndert werden. Dies geschah vor allem durch wirtschaftliche Unterstützung der Pächter und ihrer Familien[20] durch die Land League und verschiedene Maßnahmen, die ich weiter unten erörtern werde.

Bei der Gründung der Land League stellte Davitt folgende Hauptanliegen der Organisation dar:

„That an association be hereby formed to be named the Irish National Land League.

That the objects of the League are: First, to bring about a reduction of rack- rents; second, to facilitate the obtaining of the ownership of the soil by the occupiers.

That the objects of the League can be best attained by promoting organization among the tenant farmers; by defending those who may be threatened with eviction for refusing to pay unjust rents; by facilitating the working of the Bright clauses of the Land Act during the winter; and by obtaining such a reform in the laws relating to land as will enable every tenant to become the owner of his holding by paying a fair rent for a limited number of years.“ (Davitt, in: O`Hegarty, S. 489)

Die Mittel, die die Land League zum Erreichen ihrer Ziele einsetzte, waren vielfältig, legal wie illegal. Michael Davitt faßt sie selbst wie folgt zusammen: „All process- serving operations and evictions were to be given the greatest possible publicity; families evicted for non- payment of unjust rents were to be supported; embargoes were to be laid upon all evicted farms; land- grabbers were to be socially excommunicated and finally the League would undertake to defend in the court all persons prosecuted for resisting the legal agencies set in the motion by the landlords against the homes of the tenantry.“ (Davitt, in: Pomfret, S. 145)

Da es bei Vertreibungen öfters zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien kam, bürgerte sich der Begriff „Land War“ für den Kampf um das Land ein.

Das erste Mal in der irischen Geschichte gelang es der Land League, die irische Pächterschaft zu einen (mit Ausnahme der mehrheitlich protestantischen Gegenden Ulsters), zumal als moralischer Rückhalt große Teile des niederen katholischen Klerus hinter den Zielen der Land League standen.

In den hauptsächlich protestantischen Grafschaften im Nordosten Irlands trat nur eine kleine Minderheit presbyterianischer Pächter in die Land League ein (vgl, Comerford, S. 246). Es ist zu vermuten, daß die vorwiegend unionistischen Protestanten die Land League aufgrund ihrer Forderung nach nationaler Selbstbestimmung sowie der Zusammenarbeit mit der nationalistischen Home Rule Association (s.u.) ablehnten.





Die Irish Republican Brotherhood nahm eine besondere Stellung in der Land League ein. Die IRB nahm bereits vor der Gründung der Lasnd League zu agrarischen Angelegenheiten Stellung. Tausende Pächter traten, vor allem im Co. Mayo, seit Ende der 1860er Jahre in die IRB ein (vgl. Comerford, S.228). Vier der sieben leitenden Männer der Land League waren Fenier (vgl. Alter, S. 49). Die Rolle der IRB im Rahmen der New Departure wird weiter unten beschrieben werden.

Michael Davitt, laut Marx/ Engels (s. 286) ein „revolutionärer Demokrat“, machte sich zum Ziel, militante und parlamentarische nationalistische Befreiungsbewegungen zu vereinigen (siehe III.1.). Obgleich er der Ansicht war, daß die Mehrheit der irischen Bevölkerung im Herzen separatistisch war, sah er nach dem gescheiterten Fenier- Aufstand 1866- 1870 und in dem strengen Konstitutionalismus der Home Rule- Bewegung Isaac Butts eine gewisse Apathie in der Bevölkerung in bezug auf die irische Unabhängigkeit. Schließlich sah er, auch vor dem Hintergrund , daß er selbst Sohn eines vertriebenen Pächters war, die Losung „the land for the people“[21] als Fixpunkt erneuter Politisierung des Volkes an[22], da die Landfrage noch nicht vollständig bearbeitet worden sei.

Zur Durchsetzung seiner politischen Ziele entwarf er die Politik der „New Departure“, welche die Zusammenarbeit von Clan na Gael, Land League, IRB, Gaelic League, Teilen der Parliamentary Party und dem linken Flügel der Home Rule- Party um Charles Stewart Parnell einführte (vgl. Alter, S. 49 ff.). Ursprünglich sollten vor allem soziale Reformen mit Hilfe dieser Allianz durchgesetzt werden, jedoch stand die Möglichkeit einer politischen Umwälzung, auch gewaltsam, unausgesprochen im Hintergrund (vgl. Alter, S. 52), was vor allem eine Option der IRB war.

Davitt beschreibt die Ziele der New Departure wie folgt: „The New Departure (...) an open participation in public movements in Ireland by extreme men, not in opposition to Mr Parnell or moral force supporters, but with a view to bringing an advanced nationalist spirit and revolutionary purpose into Irish life, in a friendly rivalry with moderate nationalists, in the work of making English rule more difficult or impossible“ (davitt, in: Pomfret, S. 110).

Diese Ziele sind so ausformuliert, daß keine der der New Departure angehörigen Gruppen nicht damit übereinstimmte; die radikaleren Fenians wie die moderateren Parnellites.

Parnell lehnte zunächst jede Zusammenarbeit zwischen Home Rule- Party und Land League ab, da er niemals in einen politischen Geheimbund gehen wolle und die Durchsetzung seiner Ziele am besten im Parlamentarismus verfolgt sah. Ende 1879 nahm Parnell jedoch die Wahl zum Präsidenten der Land League an, da er, obwohl (oder gerade weil) Home Rule für ihn Priorität besaß, die Notwendigkeit sah, die irische Landfrage zu klären. Im Gegensatz zu Davitt sah Parnell allerdings keine Notwendigkeit der Verstaatlichung des Grundbesitzes: „It would matter little if we had Home Rule whether the farmers were proprietors of their land or tenants with fixity of tenure and low rents under national government.“ (Pomfret, S. 125)

Parnells Aufgaben in der Land League waren hauptsächlich Propagandadruck, Organisation von Meetings sowie die Sympathie der Presse und des Klerus zu sichern.

Das theoretische Gerüst wurde zu einem großen Teil von Michael Davitt entwickelt, welches im folgenden Abschnitt nach marxistischen Gesichtspunkten durchleuchtet werden soll.

Jamaika

[18] Auf ihrem Höhepunkt 1880 hatte die Land League 200 000 Mitglieder (nach Davitt, in: Alter, S. 50).

[19] Der Clan na Gael war als Zusammenschluß der emigrierten Iren in den USA eng mit der IRB verknüpft. Der Clan na Gael unterstützte u.a. die IRB und die Land League mit Geld und Waffen (vgl. Lydon, S. 314 und Alter, S. 49 ff.).

[20] Z.B. bei Gefängnisstrafen der Pächter.

[21] Erstmals erwähnt wurde dieser Gedanke Ende der 1840er Jahre von James Finton Lalor, einem Young Irelander: „(...) that the land question could be made the material for victory. Let the occupiers of the soil refuse all further payment of rent to the present usurping proprietors, until the people, the true proprietors(...) have in national congress (...) decided what rents they are to pay and to whom.“ (J.F. Lalor, James Finton Lalor: Patriot and Political Essayist, Dublin 1918; in: Bew, S. 48)

[22] Davitt sah in der Landfrage „the Irish sentiment was strongest and the English position weakest“ (Pomfret, S. 110).
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